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Cairiel

Cairiel Aris Blog

Vor meiner Ewigkeit (Alessandra Reß)

 

 

„Vor meiner Ewigkeit“ ist das Debüt der Autorin Alessandra Reß und dieses Jahr im Art Skript Phantastik-Verlag, einem Kleinverlag für dunkle Phantastik, erschienen. Dementsprechend passt das Buch perfekt in mein Beuteschema und ich musste es sofort haben.

 

Erster Eindruck – Cover, Titel und Klappentext

Der Titel hat mich sofort angesprochen. Ein ewiges Leben halte ich immer wieder für ein interessantes Thema, gerade weil es so viel Freiraum lässt. Manch einer kommt scheinbar mühelos damit zurecht und weiß die Unendlichkeit für sich zu nutzen, andere verzweifeln daran – und die vielen Graustufen dazwischen nicht zu vergessen. Der Titel hat mich neugierig gemacht, wie in diesem Buch damit umgegangen wird, und hat es gleich auf meine Zu-lesen-Liste katapultiert.

 

Das Cover finde ich zwar schön und ansprechend, aber ich konnte zunächst nicht viel daraus gewinnen. Es geht um einen Menschen, okay, aber was haben die verwischten grellen Farben zu sagen, die auf der Rückseite immer grauer werden? Wenn man das Buch gelesen hat, stellt sich heraus, dass Titel und Cover jedoch perfekt auf die Geschichte passen. Vor allem beim Cover hat mich das überrascht, denn von außen erscheint es kaum möglich, dass so etwas Abstraktes so genau den Inhalt eines Buches widerspiegeln kann. Aber es ist tatsächlich so und ich bin restlos begeistert.

 

Beim Klappentext gefällt mir vor allem das Zitat aus dem Buch: „Ich warf mich der neuen Welt in die Arme und sie lachte mit mir, und in meinem Unwissen merkte ich nicht, wie falsch dieses Lachen klang.“ Dieser Satz hat definitiv auch einen Nerv in mir getroffen. Der Rest des Klappentextes ist durchschnittlich; nichts, weswegen ich ein Buch kaufen würde, aber zu dem Zeitpunkt, an dem ich ihn gelesen hatte, war mir schon klar, dass ich es haben musste.

 

Hier vergebe ich fünf Sterne.

 

 

Inhalt

Die Geschichte beginnt und bleibt bei Simon, der nach langer Zeit aus einem Schlaf erwacht. Er empfindet es allerdings als wenig angenehm, denn schon bald steigen die Erinnerungen in ihm hoch und zum Glück für den Leser lässt er dieses Mal zu, sich ganz und gar in die Vergangenheit zurücktragen zu lassen und sein Leben noch einmal zu durchleben – zumindest ab dem Punkt, an dem er sein Gedächtnis verlor.

 

Eines Tages erwacht der (vermutlich) eigentlich ganz normale Mensch Simon und findet sich plötzlich mit einer völlig neuen Wahrnehmung wieder. Die Welt hat sich verändert, die Menschen sind zu bloßen Schemen geworden, die ihn selbst kaum mehr realisieren und erschrecken, wenn sie ihn doch einmal berühren. Damit nicht genug, stößt er plötzlich auf das pubertierende Geistermädchen Amy, das ihm ein wenig entschuldigend mitteilt, dass er jetzt ein Schläfer ist. Somit ist er Teil einer anderen Welt, der Welt der Geister, Lichtlinge und den Kreaturen der Finsternis, allen voran der Vampire. Das Gleichgewicht zwischen diesen Wesen ist durcheinander geraten, die Vampire zu machtvoll geworden. Als Schläfer ist es nun Simons Aufgabe, bestimmte Vampire zu vernichten, sozusagen um den Bestand zu reduzieren. Erst dann bekommt er seine Erinnerungen und sein altes Leben zurück.

 

Der Haken bei der Sache: Er ist lediglich der Wirtskörper für den Schläfer. Dieser ist zwar jetzt mehr oder weniger ein Teil von ihm, aber dennoch ein eigenständig handelnder Teil, der sich um nichts in der Welt von seiner Aufgabe abbringen lässt – denn jeder getötete Vampir ist wie eine Droge, die ihn in einen Zustand von Göttlichkeit versetzt, den er nicht missen will.

 

Doch während der Wirt normalerweise ganz und gar vom Schläfer eingenommen und zu einem Werkzeug werden soll, gelingt es Simon, einen Teil seiner selbst zu bewahren. Das macht ihn seine Aufgabe nicht wirklich leichter, denn plötzlich begegnet er Menschen, die ihn doch sehen können und ihn aus seinem normalen Leben zu kennen scheinen, und muss auch noch feststellen, dass nicht alle Vampire blutrünstige Monster zu sein scheinen und er sie teilweise eigentlich gar nicht töten will.

 

Gemeinsam mit Simon erkundet der Leser eine neue Welt, die sich direkt „auf“ der alten befindet, und die Neugierde auf all die Entdeckungen und Geschehnisse darin lassen die Buchseiten nur so dahinfliegen. Vergeblich sucht man jedoch eine übergeordnete Handlung, so beschreibt das Buch lediglich Simons Leben als Schläfer. Bei all den Dingen, die er durchlebt, und den interessanten Persönlichkeiten, denen er begegnet, ist das aber genug, um den Leser bei der Stange zu halten. Schwierig wird es nur dann, wenn man Simons Gefühle nicht verstehen kann, wie es bei mir z. B. bei dem Vampirmädchen Adonia der Fall war, das er geradezu glorifiziert. Für mich ist sie nicht mehr als ein Monster und so fiel es mir schwer zu akzeptieren, wie er von ihr dachte und sein Handeln zeitweise von ihr beeinflussen ließ.

 

Hier vergebe ich drei Sterne.

 

 

Schreibstil

Ich liebe ihn. Es ist fantastisch, wie Alessandra Reß es schafft, eine Welt so bildlich zu beschreiben, die sich mit nichts Realem vergleichen lässt. Immerzu konnte ich mir alles perfekt vorstellen, obwohl Dinge beschrieben wurden, die ich nie gesehen habe und nie sehen werde. Hinzu kommen Simons Gedanken, die mich mehr als einmal zum Schmunzeln gebracht haben. Es ist eine Freude, dieses Buch zu lesen, und es gab nichts, worüber ich rein schreibtechnisch gestolpert wäre.

 

Hier vergebe ich fünf Sterne.

 

 

Fazit

Ich halte die Entscheidung der Autorin, die Geschichte genau so zu schreiben, für gewagt – aber es ist ihr im Großen und Ganzen gelungen, und dafür hat sie auf jeden Fall meinen Respekt. In jeder Hinsicht ist dieses Buch etwas ganz anderes als das, was man im Mainstream zu lesen bekommt, und es hat mich wieder einmal darin bestärkt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich mich von den großen Verlagen abwandte und den kleinen meine Aufmerksamkeit widmete. Wer besondere Geschichten mag, die man noch nirgendwo anders gelesen hat und die einen noch lange zwischen den Buchdeckeln gefangen halten, der ist mit „Vor meiner Ewigkeit“ richtig beraten.

 

Insgesamt vergebe ich eine Wertung von vier Sternen.