Anfangen möchte ich meine Rezensionsreihe mit „Der Fremde – Canis Lupus Niger“ von Heike Korfhage. Es ist 2009 im Noel-Verlag erschienen – einem Dienstleistungsverlag. Normalerweise mache ich um solche Bücher einen großen Bogen, aber da es den vierten Platz beim Deutschen Phantastikpreis 2010 belegt hatte, war ich neugierig darauf. Schlecht konnte es ja augenscheinlich nicht sein.
Erster Eindruck – Cover, Titel und Klappentext
Den Titel selbst halte ich für ziemlich gewöhnlich, aber der Reihenname Canis Lupus Niger gefällt mir. Das Cover mit dem schwarzen Wolf auf grün ist schlicht, braucht sich jedoch nicht zu verstecken. Die Verzierungen in den Ecken finde ich schön.
Der Klappentext ist ein anderes Thema. Wäre ich nicht generell schon neugierig auf das Buch gewesen, hätte ich es anhand dessen vermutlich eher nicht gekauft. Er beschreibt zwar, was am Anfang des Buches passiert, aber übermäßig spannend finde ich das nicht. Das Schlusswort „Wohin sie [die Reise] ihn am Ende führt, und ob er seinen ursprünglichen Weg jemals zu Ende gehen wird, erzählt dieser frische Roman, der in sich abgeschlossene Teil einer neuen Fantasy-Reihe, der sich von den zahllosen schwachen Kopien der großen Klassiker wohltuend abhebt“ hielt ich nach dem erstmaligen Lesen des restlichen Klappentext für ziemlich aufgebauscht, denn es klingt da noch eher wie ein 08/15-Roman. Erst, wenn man ihn selbst gelesen hat, weiß man, dass das Schlusswort durchaus zutreffend ist. Aber dazu gleich mehr.
Hier vergebe ich drei Sterne. ★★★
Inhalt
Der Beginn des Buches konnte mich erst einmal nicht fesseln. Ich bin ein Fan von spannenden Anfängen, die beim Leser Fragen aufwerfen und ihn zwingen, das Buch nicht mehr aus der Hand zu legen. Beim Fremden beginnt die Geschichte jedoch langsam. Der Protagonist Wanja Bajarin kommt beim königlichen Heerlager eines für ihn fremden Reiches an und wird dort in die Geschehnisse verwickelt. Vor allem der König gefällt mir, er ist nicht alt und weißbärtig, sondern jung und hat einen frischen Charakter.
Mit der Entführung der Dame Valeria, die Wanja von Anfang an hinreißend findet, kommt dann aber endlich Spannung in die Geschichte. Wanja stößt auf alte Feinde und allerlei weiterer Gefahren, die gut und spannend geschrieben wurden. Auch die Figuren haben es mir angetan, so ist die Beziehung zwischen Wanja und Valeria nicht, wie man vermuten könnte, die zwischen einem entführten Prinzesschen und dem Prinzen, der sie rettet, woraufhin sie ihm sogleich verfällt und sie ein liebendes Paar werden, sondern viel vielschichtiger – und weitaus komplizierter.
Was mich an diesem Buch aber über alles fasziniert hat, ist, wie realistisch es wirkt. Die ganzen höfischen Intrigen, der Umgang der einzelnen (übrigens sehr schön ausgearbeiteten) Völker und Kulturen miteinander, der oftmals von Argwohn geprägt ist – das alles ist wundervoll beschrieben. Den mittelalterlichen Flair, den ich beim Lesen dieses Buches erlebte, hat mir noch kein anderes beschert.
Hier vergebe ich fünf Sterne. ★★★★★
Schreibstil
Hier wurde mir sehr unsanft ins Gedächtnis gerufen, warum ich normalerweise keine Dienstleistungsbücher kaufe. Das Buch ist grauenhaft lektoriert. Es erstickt nicht gerade in Fehlern, aber vor allem was Zeichensetzung betrifft, stolpert man schon über das ein oder andere. Im Impressum steht der Name der Lektorin und ich frage mich, was sie überhaupt gemacht hat. Ich würde mich schämen, wenn meiner dort stehen würde.
Abgesehen davon ist der Schreibstil gut. Er passt sehr zu besagtem mittelalterlichen Flair, wie ich finde.
Hier fällt es mir sehr schwer, eine Bewertung abzugeben. Die Autorin kann nichts für ein schlechtes Lektorat, auf der anderen Seite sind die Fehler nun einmal da und es wäre fehlerfreien Büchern gegenüber unfair, wenn es dafür keine Abzüge gäbe. Ich entscheide mich für vier Sterne. ★★★★
Fazit
Über die kurze Durststrecke am Anfang hinaus zu kommen lohnt sich bei diesem Buch auf jeden Fall. Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen, von daher erweist sich auch die Behauptung vom Klappentext als richtig. Nach der Lektüre dieses Buches ist Heike Korfhage zu einer meiner Lieblingsautoren geworden und nachdem ich ihre weiteren Bücher gelesen habe, bereue ich das keinesfalls. Sie kann sich definitiv mit den ganzen Bestseller-Fantasy-Autoren aus Übersee messen, auch wenn ich das eigentlich nicht vergleichen will, weil sie einfach ganz anders schreibt.
Zurück zum Fremden: Im Gesamtpaket hat er mir auf jeden Fall gut gefallen und ich kann verstehen, warum er beim Phantastik-Preis einen so hohen Platz belegt hat. Mit einem besseren Lektorat hätte sie es noch weiter aufs Treppchen hinaufgeschafft, dessen bin ich mir sicher.
Insgesamt vergebe ich eine Wertung von vier Sternen. ★★★★